
Nie wieder Schlamm-Camp
von Ulrike Knöfel
Spiegel NR. 52
Auszug:
"Berlin, Wittstocker Straße, noch funktioniert die Heizung im gerade frisch bezogenen Büro [...] nicht. Esche breitet auf dem selbst entworfenen Papptisch Pläne aus. Der Architekt ist 28 Jahre als, hat sich vor einiger Zeit mit ein paar Kollegen selbstständig gemacht. Auf einem Flohmarkt im München lernte er Ende September einen Mann kennen, der darüber fluchte, wie man mit Flüchtlingen umgehe. Esche und der ältere Kerl waren sich einig, dass vieles schief laufe. Zwei Wochen später erhielt Esche einen Anruf, der Mann war dran, er sagte, er sitze im Amt für Migration, und der Architekt solle vorbeikommen. Zum Glück war der noch in der Stadt. Der Anrufer heißt Wolfgang Nöth und ist 72 Jahre alt. Er ist Gastronom und war auch derjenige, der den Münchenern zu eniem Klub -und Nachtleben verhalf, er hat dazu den legendären Kunstpark Ost erfuden. Seine jüdische Mutter hat ihm nach seiner Geburt 1943 das Leben geretter, als sie ihn in einem Persil-Karton vor einem Weinhaus in Würzburg abstellte. Er selbst sagt, "es war wie es war", aber nun will er denen helfen, die ihre Heimat verloren haben. Anfang Dezemberfasste die Stadt München den "Standortbeschluss", der Nöth und Esche den Weg ebnet. [...] In zwei bestehenden Hallen,so haben es Esche und seine Kollegen Jonas Altmann und Lena Kwasow vorgesehen, können nach Umbauten Kinderbetreuung, offene Werkstätten, Künstlerateliers, Übungsräöume und eine Konzerthalle einziehen. Auf dem Fundament einer dritten Halle wird ein dreistöckiges Holzhaus mit Wohnungen für 200 Asybewerber entstehen. Einige Einheiten verfügen dann sogar über einen Garten. Der Bau wirkt schlicht und doch markant, mit den unterschiedlich großen Fenstern auf der Rückseite und einer besonderen Laubengangkonstruktion, die Esche einen Luftpuffer nennt. [...] Für die jungen Architekten aus Berlin ist der Auftrag nicht mit viel Geld verbunden, aber er wird eine Chance sein. Für sie selbst, für die Stadt, vor allem für die Flüchtlinge.